12. Januar 2020
Im Gespräch mit Frank Stäbler
Frank Stäbler ist aktuell einer der besten griechisch-römischen Ringer überhaupt. Wir haben ihn getroffen und das Interview in Text und Bild festgehalten.
„Ich trainiere zehnmal in der Woche, zweimal am Tag. Mittwoch und Sonntag sind meine Regenerationstage. Da ist die Woche schon sehr gut gefüllt mit ca. 25 Stunden allein an Trainingsbelastung.“ Als wäre es das normale Sportprogramm eines durchschnittlichen Menschen. Frank erzählt mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit von seinem Trainingsplan. Die Art und Weise, wie er auftritt, spiegelt sein Wesen unmittelbar wider: unfassbar ehrgeizig, extrem willensstark und durchweg positiv. Nicht ohne Grund ziert ein Tattoo mit den Worten „Caritas Fides Spes“ – Liebe Glaube Hoffnung – seinen Unterarm. Er liebt seinen Sport, er glaubt immer an sich und er gibt die Hoffnung nie auf. Inzwischen ist der gebürtige Musberger dreifacher Weltmeister und gewann einmal die Europameisterschaft.
Ringen ist für Frank schon immer ein absoluter Gentleman-Sport: „Fair Play steht ganz, ganz weit oben.“ Das ist einer der Gründe dafür, dass er so motiviert in jeden Ring steigt – egal, ob Training oder Wettkampf. Die familiäre Ringerkultur, in der sich selbst konkurrierende Nationalmannschaften gemeinsam für ein großes Turnier vorbereiten, fasziniert ihn schon in seiner Jugend. Die Dynamik und Kraft des Sports stachelt ihn zudem immer wieder auf ein Neues zu mehr Engagement an. Doch genauso außergewöhnlich wie Franks Einsatz auf der Matte ist, genauso ist er die Folge eines riesengroßen Zufalls.
Wie Frank genau zum Ringen gekommen ist, was die Sportart für ihn besonders macht und warum er in jede russische Disco kommt, verrät er Euch im Video.
Das fliegende Eichhörnchen
EM-Halbfinale 2012. Stäbler gegen Maksimovic. Der Moment, in dem Franks sportliches Genie ihn wortwörtlich beflügelte und die Welt überraschte. „Ich lag aussichtslos zurück und bin in der letzten Sekunde mit einer Hechtrolle über den Gegner gesprungen, habe ihn irgendwie in der Luft zu fassen bekommen – und konnte noch punkten. Später wurde ich sensationell Europameister.“ Ein einschneidendes Erlebnis für Frank. Sein akrobatischer Sprung auf den Rücken des Gegners beeindruckt alle, die Presse gibt der Aktion sogar einen eigenen Namen: das fliegende Eichhörnchen.
Die Szene aus dem Halbfinale zeigt auch: Er ist sich im Ring und außerhalb der Hallen für nichts zu schade. Franks Mission, die er sich selbst auferlegt hat, ist es, die Sportart Ringen aus der Nische hervorzuholen, sie den Menschen näherzubringen. Dafür gibt er alles. Schon mehrere seiner Freunde überredete er dazu, sich einen Ringkampf anzuschauen. Sie waren alle gefangen vom Geschehen auf der Matte und kamen wieder, sagt Frank. Auch bei den ganz Kleinen engagiert er sich in Form von Schulprojekten. Mit Spiel und Spaß bringt er den Kindern den fairen Grundgedanken des Ringens näher und sensibilisiert auch die skeptischen Eltern. „Man braucht nur die Chance, den Leuten die Angst vor dem Ringen zu nehmen. Sie zu bekommen und zu nutzen, ist ein hartes Stück Arbeit, aber irgendjemand muss ja anfangen.“ Dass der Sport bei allem Spaß ein gewisses Verletzungsrisiko mit sich bringt, weiß Frank selbstverständlich. Dessen muss man sich immer bewusst sein. Ihm selber wurde dieses Verständnis schon früh vermittelt: „Wie hat mein Opa immer gesagt: Wo gehobelt wird, fallen Späne.“
#RoadToTokio
Seine Mentalität ließ Frank schön mehrfach aus schwierigen Phasen noch stärker hervorkommen. Er ist ein Ausnahmesportler. Ein Athlet, bei dem auch die ärgste Konkurrenz zum Fan wird. Eine Person, die den Spagat zwischen Professionalität und Familiengefühl perfekt beherrscht. Und jemand, der immer weiter nach oben will. 2020 in Tokio wird das nächste große Ziel angegriffen: Olympia-Gold.