Xenia Smits
Zurück in die Zukunft
Aus der Handball Inside #65 5/2025
15. November 2025
Nach dem bitteren Aus von Ludwigsburg kehrte Xenia Smits nach Metz zurück. Nun will die 31-jährige mit ihrem Club das EHF FINAL4 gewinnen und mit der deutschen Nationalmannschaft die Heim-WM 2025 rocken.
Wie geht es Ihnen?
Xenia Smits: Soweit ganz gut. Meine Vorfreude auf die Heim-WM ist riesig! Sportlich bin ich in meinem alten, neuen Club Metz angekommen und alles Negative und Schwermütige der jüngeren Vergangenheit legt sich bestimmt auch mit der Zeit.
Das klingt, als ob das große Handball- Beben von Ludwigsburg tiefe Wunden bei Ihnen hinterlassen hätte.
Smits: Das ist auch so.
Können Sie uns erzählen, wie Sie die Insolvenz des Vorzeigeclubs erlebt haben?
Smits: Der Sommer begann ganz normal. Wir waren stolz auf unseren Meistertitel und den Pokalsieg und wollten als eingeschworene Truppe in der kommenden Saison mit dem gleichen Elan in drei Wettbewerben angreifen. Mitte Juli stand ein Lehrgang mit der Nationalmannschaft an und danach trafen wir uns in Ludwigsburg mit der gewohnten Vorfreude auf die neue Saison. Wir absolvierten das alljährliche Auftakttraining, die Pressegespräche und einen vollgepackten Media Tag, mit Trikot-Präsentation und Videodreh. Kurz darauf wurde plötzlich ein Meeting einberufen, in dem wir direkt vom Insolvenzverwalter erfuhren, wie dramatisch es um den Verein stand.
Kam das für Sie unerwartet?
Smits: Absolut! Die Gehaltszahlungen waren all die Jahre stets pünktlich, es gab keine Anzeichen für finanzielle Schwierigkeiten. Die Nachricht von der Insolvenz Ende Juli war wie eine eiskalte Dusche, wie ein besonders schlechter Scherz bei der Sendung „Die versteckte Kamera“. Leider war es die Realität.
Wie ging es weiter?
Smits: Zunächst waren wir noch optimistisch. Es begann sofort die intensive Suche nach neuen Geldgebern, die den Club hätten retten können. Wir standen schließlich letztes Jahr im Finale der EHF Champions League und haben so viele Titel gewonnen – da musste doch irgendwas möglich sein!
Einige Handballer appellierten sogar per Social Media an die Öffentlichkeit, wie Leipzigs Domenico Ebner via LinkedIn.
Smits: Ja, diese Solidarität war großartig. Auch aus dem Umfeld unseres Vereins sind viele aktiv geworden und wir dachten, die Clubführung würde schnell mit einem Vorschlag auf uns zukommen, wir verzichten auf einen Teil unseres Gehaltes und dann wird das schon. Das war aber nicht der Fall. Die Zeit drängte und irgendwann hieß es: Es gibt keine Lösung, sucht euch einen anderen Club.
Wurde in diesen unsicheren Wochen weiter trainiert?
Smits: Wir hatten dazu die Möglichkeit. Allerdings trainierten wir mit angezogener Handbremse, um die Verletzungsgefahr in dieser Ausnahmesituation so gering wie möglich zu halten. Unser Trainer Tomas Hlavaty hatte ein ähnliches Drama bei den Vipers schon mal durchgemacht und achtete daher besonders auf uns, denn unser Körper ist ja unser Kapital.
Das muss auch im Hinblick auf die Heim-WM eine schwierige Situation gewesen sein.
Smits: Ja, zumal in Ludwigsburg sieben Nationalspielerinnen unter Vertrag standen.
Hat der DHB seine Spielerinnen auffangen können?
Smits: Die Kommunikation mit dem Verband war intensiv, und der DHB bot uns Hilfe an. Aber auch wir Spielerinnen, standen uns in den schwersten Tagen gegenseitig bei und sind uns praktisch nicht von der Seite gewichen. Es fällt mir immer noch schwer, die damalige Situation und meine Gefühle zu beschreiben.
Wie empfanden Sie die Schlagzeilen von der „erlogenen Meisterschaft“?
Smits: Das war nicht nur verletzend, sondern auch eine Frechheit! Eine Meisterschaft beruht immer auf Leistung, die haben wir in den letzten Jahren kontinuierlich und souverän gezeigt. Noch nie
ist ein Team Meister geworden, nur weil jemand mit den Scheinen gewirbelt hat. Zudem sollten immer auch die richtigen Leute kritisiert werden.
Das Team wurde pressewirksam auch vom Super Cup 2025 ausgeladen.
Smits: Ich würde mir wünschen, dass sich die Medien auch außerhalb solcher Themen so intensiv für den Frauenhandball interessieren.
Sie fanden zwischendurch sehr deutliche Worte, in der BILD-Zeitung sprachen Sie sogar von Wut.
Smits: Ich bin immer noch erstaunt darüber, wie wenig sich die unterschiedlichen Medien für unsere beeindruckende Titelsammlung und für die positiven Nachrichten rund um den Frauenhandball interessieren, im Vergleich zu den enormen Anfragen zum Untergang eines Traditionsvereins. Das kann ich nicht nachvollziehen.
„MAN KANN DAS GEFÜHLSCHAOS MIT DEM VERLUST EINES WICHTIGEN MENSCHEN VERGLEICHEN“
Und dann haben Sie, ganz „Xenia-like“, oft von Dankbarkeit gesprochen.
Smits: Das stimmt. Grundsätzlich bin ich ein positiver Mensch. Trotz der Machtlosigkeit, die wir alle verspürt haben, dürfen wir die grandiose, erfolgreiche und menschlich absolut bereichernde Zeit, die uns miteinander, aber auch mit den Fans, mit den Sponsoren und mit vielen aus dem Umfeld verbindet, nicht vergessen! Ich bin jedem dankbar, der diese Ära mitgeprägt und ermöglicht hat. Meine positiven Erinnerungen lasse ich mir nicht durch Schlagzeilen zerstören.
Klingt alles sehr nach Herzschmerz.
Smits: Ja, man kann das Gefühlschaos mit dem Verlust eines wichtigen Menschen vergleichen. Die schönsten Erinnerungen und die Traurigkeit, Dankbarkeit und Herzschmerz sind gleichzeitig da.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie das erste Angebot zum Vereinswechsel erhalten haben?
Smits: Glücklicherweise konnte ich jeden Club mit einem guten Gefühl verlassen, daher kamen schnell die ersten Anrufe. Allerdings sagte ich zunächst jedes Angebot ab, ich wollte, dass es in Ludwigsburg weitergeht. Wir waren eine so eingeschworene Truppe, viel mehr als eine Mannschaft, wir waren eine richtige Familie.
Irgendwann musste aber eine Entscheidung für die Zukunft her.
Smits: Genau so habe ich das auch empfunden. An einem Morgen bin ich aufgestanden und dachte, dass ich jetzt einen neuen Fokus und einen positiven Ausblick brauche. Dann habe ich meine Tasche gepackt.
Haben Sie nicht mit Ihrem Partner erst kürzlich ein Haus gekauft?
Smits: Ja und diese finanzielle Belastung hat die Gesamtsituation nicht einfacher gemacht. Felix und ich waren im selben Verein tätig und waren nun auch gemeinsam arbeitslos. Er hat inzwischen als Athletiktrainer beim TVB Stuttgart angeheuert. Trotz unseres gemeinsamen Hauses ist jetzt alles wieder so, wie vor fünf Jahren: Wir führen eine Fernbeziehung und suchen nun wieder nach Möglichkeiten, uns zu sehen.
Wurden Sie in Metz als Heimkehrerin gefeiert?
Smits: Der Empfang war sehr herzlich und es war ein schönes Gefühl, in einer vertrauten Normalität anzukommen. Den Verein kannte ich bestens, die Dinge haben sich nach meinem Weggang 2020 positiv weiterentwickelt. Das Trainerteam blieb, was auch ein Zeichen für Kontinuität ist, und die Ergebnisse, hauptsächlich international, wurden noch besser. Die Mannschaft hat sich in den letzten Jahren deutlich verjüngt, aber da ich die Sprache spreche, hatte ich keine großen Schwierigkeiten, hier anzukommen.
Mussten Sie auf Geld verzichten?
Smits: Meine Verhandlungsbasis war nicht optimal, aber ich darf mich nicht beschweren.
Wie viel Zeit hatten Sie für die sportliche Eingewöhnung?
Smits: Knapp drei Wochen nach meiner Ankunft ging der Ligabetrieb in Frankreich los.
Ihr Trainer bezeichnete Ihre Verpflichtung als große Chance …
Smits: Mein Club strebt endlich den großen internationalen Erfolg an. Metz ist zwar Dauergast beim EHF FINAL4 in Budapest, aber der Titel fehlt uns noch.
Sie sind sowohl Handballerin des Jahres 2024 geworden, als auch Mitglied der IHF Athletenkommission. Herzlichen Glückwunsch!
Smits: Vielen Dank. Ich habe mich sehr über die Auszeichnung gefreut und versuche aktuell, meine Aufgabe in der Athletenkommission aktiv mit Leben zu füllen. Es gibt keine konkrete Beschreibung für diese Rolle, aber ich bin mir bewusst, wie wichtig die Stimmen der Handballerinnen und Handballer bei internationalen Gremien sind.
Wie groß ist Ihre Vorfreude auf die bevorstehende Heim-WM?
Smits: Ich zähle die Tage und freue mich darauf, dass es bald losgeht. Bereits 2017 war die WM hier ein riesiges Ereignis und ich habe das Gefühl, dass es diesmal noch deutlich größer wird. Mit der strukturellen Veränderung und der Bewegung „Hands Up for More“ zeigt der DHB, welchen Stellenwert der Frauenhandball heute genießt. Ich freue mich extrem darauf! Der Kern der Nationalmannschaft war von dem Drama in Ludwigsburg betroffen.
Wie hat man das bei den Lehrgängen aufgefangen?
Smits: Zunächst war das ein Thema, das keiner gerne angesprochen hat. Viele von uns waren plötzlich in einer Eingewöhnungsphase in einem neuen Verein, darauf hätten wir im Jahr einer Heim-WM gerne verzichtet. Bei jedem Wiedersehen wurde es dann von Mal zu Mal entspannter und wir wissen, dass das Geschehene kein Einfluss auf das Ergebnis einer WM nehmen darf. Unser Fokus liegt ganz klar auf dem Turnier.
„WIR HABEN EIN KLARES ZIEL UND DARAN HALTEN WIR FEST, EGAL GEGEN WELCHEN GEGNER“
Die WM-Vorrundenspiele sind Wochen vor dem Start komplett ausverkauft. Welche Rolle kann das heimische Publikum für den Erfolg des Teams spielen?
Smits: Bei den Olympischen Spielen 2024 konnte man deutlich spüren, wie uns die französischen Zuschauer lautstark daran gehindert haben, das Spiel gegen die Gastgeberinnen zu drehen. Das Publikum ist jetzt unsere achte Spielerin! Eine positive Welle trägt jede Mannschaft regelrecht zum Sieg und ich bin sehr glücklich, dass der Hexenkessel in Stuttgart voll wird. Dann zünden wir gemeinsam das Feuer gleich in der Porsche-Arena an!
Ist die große Bühne, die sich der DHB erhofft, auch ohne Frauenhandball in denÖffentlich-Rechtlichen möglich?
Smits: In abgespeckter Form, ja. Wir müssen uns diese Aufmerksamkeit jetzt erarbeiten und mit Leistung zeigen, dass in der Zukunft kein Weg an uns vorbei führt. Wir müssen so eindrucksvoll performen, dass es unvermeidlich wird, unsere Spiele live zu übertragen.
Wie finden Sie den Turnierbaum?
Smits: Es ist immer schwierig, gegnerische Teams in Kategorien wie „leicht“ oder „besonders schwer“ einzustufen. Glaskugel-Leserei wird keiner Mannschaft gerecht und ich glaube nicht, dass es dem Gastgeber mit dem Turnierbaum einfach gemacht wird. Wir haben ein klares Ziel und daran halten wir fest, egal gegen welchen Gegner.
Und wie lautet dieses Ziel?
Smits: Wir wollen gewinnen, egal wer kommt!
Das klingt nach einer Medaille.
Smits: Ich habe kein Problem damit zu sagen, dass ich am letzten Wochenende in Rotterdam dabei sein will. Unsere Mannschaft hat sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt, wir sollten keine Bauchschmerzen haben, wenn wir klare Ziele formulieren.
Das letzte Mal stand die Nationalmannschaft er Frauen bei der EURO 2007 auf dem Treppchen, damals gab es Bronze.
Smits: Dann ist es höchste Zeit für eine neue Medaille!
Zita Newerla



