Jannik Kohlbacher
Big Points beim Comeback
27. Dezember 2020
Schneller als gedacht hat sich Jannik Kohlbacher nach seiner Ellenbogenverletzung zurückgemeldet. Der 25-jährige Kreisläufer der Rhein- Neckar Löwen will wieder Vollgas geben.
Das Interview führte Zita Newerla für Handball Inside Ausgabe #36 (erschien am 22. November 2020)
Du hast Dich im Anschluss an eine ungewöhnlich lange Pause in der Vorbereitung auf die neue Saison verletzt. Wie hast Du Dich in der Situation gefühlt?
Eine Verletzung ist immer ärgerlich, zu dem Zeitpunkt ging mir allerdings alles mega auf die Nerven. Es gibt wirklich kaum etwas Blöderes, als sich in einem Vorbereitungsspiel am Wurfarm zu verletzen.
Was hast Du gedacht, als Du die erste Diagnose hörtest?
Am Anfang war es überhaupt nicht klar, wie lange ich ausfallen würde. Die Beurteilung der Mediziner ließ einige Alternativen offen. Sogar eine Operation stand auch im Raum mit der Konsequenz, dass ich erst wieder im Februar, März oder April 2021 hätte spielen können. Im Rückblick bin ich mit acht Wochen Pause super weggekommen.
Wie ging es dann weiter?
Von dem Club bekam ich die Rückmeldung, dass ich mir auf jeden Fall die nötige Zeit nehmen soll, egal wie lange meine Genesung dauert. Nach zwei Wochen merkte ich, dass alles ein bisschen besser wird, habe ein paar Extra-Schichten geschoben und konnte nach der Nationalmannschaftspause sogar mit den Jungs mittrainieren.
Wie hat sich das erste Spiel, Dein Comeback, angefühlt?
Wenn du verletzt bist, liebäugelst du immer wieder mit irgendwelchen Spielterminen, wann es endlich wieder so weit sein könnte. Ich dachte auch von Datum zu Datum und habe gehofft, dass ich bereits bei unserem Heimspiel gegen Leipzig auf der Platte stehen kann. Drei oder vier Tage vorher wusste ich aber, dass das mit den Schmerzen und von der Wurfkraft her einfach noch nicht geht. Umso schöner war es dann, als ich bei unserem Spitzenspiel gegen Magdeburg dabei sein konnte.
„Wir hörten jedes Wort – das war komisch, zumal in der GETEC Arena üblicherweise ein 60-minütiges Pfeifkonzert an der Tagesordnung ist.“
Die Löwen mussten über mehrere Wochen auf mehrere wichtige Leistungsträger verzichten. Bei so viel Verletzungspech und der Notwendigkeit für Improvisation: Schweißt das das Team noch mehr zusammen?
Die Frage kann man nur mit Ja beantworten. Wir hatten viele Verletzte, doch das Mannschaftsgefühl war immer top. Hinter der Bank zu hocken, war für mich mindestens so schwer wie für die anderen sechs Spieler, die neben mir saßen. Wir wollten so gut es geht unsere Mannschaft auf dem Feld unterstützen, dabei haben wir die Jungs, die uns ersetzen sollten, noch ein bisschen mehr als den Rest der Gruppe gepuscht.
Und wenn man endlich wieder dabei ist?
Dann gibt man sicherlich Vollgas, damit das eigene Team jedes Spiel gewinnt.
Wenn die Löwen jedes Spiel gewinnen wollen, spricht man wieder von der Meisterschaft?
Damit beschäftige ich mich gerade nicht, ich denke aktuell von Spiel zu Spiel. Wir wollen aber viele kostbare Punkte mitnehmen, von weiteren Verletzungen möglichst verschont werden und dann schauen wir, wie weit es reicht.
Seit dem 11. November startest Du wieder mit Vollgas durch. Wie empfindest Du die Atmosphäre in der Bundesliga, so ganz ohne Zuschauer?
Das ist wirklich ganz komisch. Wobei ich finde, dass auch zwischen Geisterspiel und Geisterspiel große Unterschiede zu erkennen sind. Wir haben beispielsweise in Erlangen gespielt, wo die gefühlt 300 Menschen, die alle irgendeine Funktion um den Spieltag hatten, eine super Stimmung machen konnten. Unsere neun Trommler in der SAP Arena geben auch ihr Bestes, damit es bei uns nicht allzu still ist, in Magdeburg gab es wiederum keinen einzigen Menschen auf der Tribüne. Wir hörten jedes Wort – das war komisch, zumal in der GETEC Arena üblicherweise ein 60-minütiges Pfeifkonzert an der Tagesordnung ist.
„Ich fühlte mich ein wenig wie ein Schwerverbrecher.“
Du bist unter anderem zu den Löwen gewechselt, weil die Region für Dich ein Stück Heimat ist. Freunde und Familie dürfen aktuell allerdings nicht in die Halle…
Das ist ein Punkt, der mir wirklich leidtut. Egal, ob es meine Familie ist oder die zahlreichen Löwen-Fans. Für viele unserer Anhänger bricht etwas Wesentliches weg, wenn die Nähe zu dem Team und ein Besuch in der SAP Arena nicht möglich sind. Wir Spieler vermissen die Löwen-Familie und ihre großartige Unterstützung auch, aktuell muss jeder Antrieb und jede Motivation allein aus dem Mannschaftsgefühl kommen. Aber wie so oft im Leben hat die viel zitierte Medaille auch hier zwei Seiten: Aktuell fehlen in den Hallen auch die gegnerischen Fans – so kann man enge Auswärtsspiele vielleicht ein Tick leichter gewinnen als in einem ausverkauften Haus.
Du warst einer der ersten Bundesliga-Spieler, bei dem eine COVID-19-Infektion festgestellt und offiziell kommuniziert wurde.
Das stimmt. Ich war Corona-Patient Eins oder Zwei in der Liga. Die Nachricht fegte regelrecht durch die Medien und ich fühlte mich ein wenig wie ein Schwerverbrecher.
Man hat sich eher Sorgen um Dich gemacht!
Es müsste inzwischen jedem bewusst sein, dass man sich um mich keine Sorgen machen muss (lacht). Dennoch ist mit dem Virus nicht zu spaßen. Im Anschluss der Infektion habe ich natürlich sämtliche Nachuntersuchungen auf alle ererdenklichen Organe und Werte über mich ergehen lassen und kann mit Glück sagen, dass ich keinerlei Probleme oder Einschränkungen davongetragen habe.
Fühlst Du Dich aktuell sicher, immerhin sind bei Dir Antikörper festgestellt worden?
Durch das Erlebte bin ich noch gewissenhafter geworden. Mir ist meine Verantwortung meiner Familie und der Mannschaft gegenüber immer schon bewusst, aber aktuell auch dauernd präsent. Schließlich habe ich am eigenen Körper erfahren, wie schnell eine Infektion passiert. Auch wenn man Antikörper hat, kann man nach den neuesten Studien Träger des Virus sein. Für Menschen mit Vorerkrankungen oder einer Immunschwäche möchte ich keine Gefahr darstellen und wir wissen schlichtweg noch zu wenig über COVID-19, um uns sicher zu fühlen.
In der Nationalmannschaft sollen sich zwei Lager gebildet haben, wie viel Bock haben Sie auf die WM im Januar?
Ich habe mir ehrlicherweise bisher mehr Gedanken um meinen Ellenbogen als über diese Diskussion gemacht. Aktueller Stand ist, dass ich glücklicherweise fit für die Weltmeisterschaft bin. Ich denke, wenn alle Konzepte vernünftig eingehalten werden, steht einem erfolgreichen Turnier nichts im Wege. In einer Bubble zu sein und ohne Zuschauer zu spielen, wird bestimmt gewöhnungsbedürftig sein. Wenn das allerdings das einzig Vernünftige ist, sehe ich das natürlich auch ein.
„Meine Kniebeugen mache ich mit 250 Kilo Gewicht.“
Wieso nennt man Dich im Löwen-Team liebevoll „kleiner Maulwurf“?
Der Name kommt von unserem Torwart Andreas Palicka. Er meint damit meine Art, wie ich mich durch die Abwehr bohre. In seinen Worten: „Mit deine kleine kurze Beine.“ Wir geben uns bei diesen Vergleichen nicht viel, mich erinnern seine kleinen Storchenbeine an Zahnstocher und das sage ich ihm auch gerne.
Apropos Beine: Bist Du jemand, der während des Lockdowns ein inniges Verhältnis zum Kühlschrank pflegt?
Während meiner Quarantäne habe ich zwei Kilo abgenommen. Nach meiner Verletzung habe ich durch intensives Training die zwei Kilo wieder draufgekriegt. Ich passe also noch in meine Klamotten.
Der alte Spruch Deines Kapitäns, bei Dir sehen Jogging-Hosen wie Leggings aus, trifft also nicht mehr zu?
Es kommt immer wieder auf den Schnitt an. Manche Jogger in der Größe XXL sehen bei mir vielleicht etwas eng aus und eine Jeans zu kaufen, ist für mich auch nicht so einfach. Wenn man allerdings eine männliche Statur hat und keine Frauenbeinchen, dann hat man
mal das Problem.
Es sind also keine Corona-Kilos, sondern Muskeln.
Meine Kniebeugen mache ich mit 250 Kilo Gewicht. Das schafft man eher mit Muskeln als mit Speck (lacht).