Krešimir Kozina:
Der König am Kreis
Ein Gespräch mit Krešimir Kozina über die Wahl seiner Hosen, über seine zweisprachige Jugend und über das Leben als Publikumsliebling.
Deine Mannschaftskollegen sagen, dass du immer am Reden bist. Stimmt das?
Wenn ich schon Deutsch gelernt habe, will ich die Sprache auch benutzen.
Eine weitere nervige Sache ist: du sollst fast unschlagbar bei der Playstation sein…
Das ist einfach ein Talent von mir, würde ich sagen. Ich muss dafür nicht mal viel üben, das nervt meine Teamkollegen besonders.
Man erzählt auch, dass du 90 Prozent deines Lebens in einer Jogginghose verbringst.
Das stimmt auch, und der Grund dafür ist sehr banal: Ich mag es komfortabel. Eine Jeans trage ich nur, wenn es sein muss. Wenn ich mit meiner Familie in die Kirche gehe zum Beispiel.
In welchem Alter hast du mit Handball angefangen?
Ich war elf oder zwölf Jahre alt. Doch ich wusste relativ schnell, dass ich in die Bundesliga will…
Das hat ja auch funktioniert. Wie denkst du über die Belastung in der Bundesliga?
Ich spiele lieber, als dass ich trainiere. Aber im Ernst: Egal in welcher Halle wir spielen, sie ist voll. Die Fans sind laut, die Atmosphäre ist fantastisch. Das motiviert jeden Spieler, egal wie müde man ist. Die Organisation, das Spektakel und die Arenen in Deutschland sind einfach unerreicht. Ich möchte nicht woanders spielen.
„Eine Jeans trage ich nur, wenn es sein muss.“
Als du in die Bundesliga gewechselt bist, kanntest du die Sprache bereits.
Ich kam aus Österreich, doch dort habe ich die Sprache nicht gelernt. Bereits als Kind wohnte ich einige Jahre in Deutschland, als in meiner Heimat der Balkankrieg ausgebrochen ist. Ich habe in der Nähe von Hagen den deutschen Kindergarten und die erste Klasse der Grundschule besucht. Als meine Familie nach Kriegsende wieder nach Kroatien zog, habe ich besser Deutsch als Kroatisch gesprochen. In den darauffolgenden Jahren fehlte mir zwar die Praxis, doch als ich für den Handball nach Österreich zog, war die Sprache sofort wieder präsent.
War der Wechsel in die Bundesliga trotz deiner guten Sprachkenntnisse eine Umstellung?
Die österreichische Liga ist sportlich kaum mit der Bundesliga vergleichbar. Ich habe immer schon hart trainiert und wusste, dass meine Chance noch kommen wird. Als die Bundesliga rief, war ich bereit. Dennoch ist so ein Wechsel immer eine Umstellung.
Wie hast du dich gefühlt, als der Anruf aus Flensburg kam?
Ich habe an einem Sonntag erfahren, dass Ljubomir Vranjes mich haben will. Bis vier Uhr morgens habe ich mein Zeug in der Wohnung zusammengepackt. Nach eineinhalb Stunden Schlaf bin ich zum Flughafen gefahren, um am selben Tag ein Probetraining zu absolvieren. Am Mittwoch habe ich zum ersten Mal für Flensburg gespielt. Ich war müde, hatte aber gleichzeitig so eine Euphorie in mir, dass ich auch hätte zehn Punktspiele ohne Pause hintereinander spielen können.
Kannst du dich an dein erstes Bundesligaspiel noch lebhaft erinnern?
Als ob es gestern gewesen ist. Es war das Spiel gegen Lemgo. Ich kam in der 28. Minute rein, Mogensen spielt mir den Ball zu und ich mache meinen ersten Treffer. Ich fühlte mich, wie der König der Welt.
Einen besseren Start gibt es kaum. Du bist sehr schnell zu einem Publikumsliebling geworden.
Das war sehr überraschend für mich, denn allzu lange war ich ja nicht in Flensburg. Die Zuschauer haben meine Spielweise und meine emotionale Art geschätzt und so wurde auch meine Verabschiedung sehr emotional. Mit dem Team habe ich mich blendend verstanden, in der Zeit sind für mich wichtige Freundschaften fürs Leben entstanden.
„Ich war müde, hatte aber gleichzeitig so eine Euphorie in mir, dass ich auch hätte zehn Punktspiele ohne Pause hintereinander spielen können.“
Von Flensburg führte dein Weg über Berlin nach Göppingen. Auch hier gehörst du zu den beliebtesten Spielern. Was muss man tun, um ein Publikumsliebling zu sein?
Ich denke, dass die Zuschauer sehen können, wenn jemand mit viel Herz spielt. Ich weiß auch, dass ich manchmal übertreibe oder etwas zu meinen Kollegen sage, was mir später leidtut. Auf dem Feld geht es für mich immer um Alles – ich liebe es zu spielen und ich spiele, um zu gewinnen. Diesen Kampf schätzen Zuschauer fast mehr als Paraden.
Aus der Hölle Nord in die Hölle Süd. Brauchst du die Hitze des Spiels?
Ich liebe es, wenn die Leute ein ähnliches Temperament wie ich besitzen. Zwischen den beiden Kulissen gibt es viele Gemeinsamkeiten. Sie sind genau das Gegenteil zum sogenannten Event-Publikum. Die Zuschauer hier fiebern und leiden in jeder Aktion mit, sie rufen, sie pfeifen und heizen die Halle ein. Das ist auch einer der Gründe, warum ich meinen Vertrag hier verlängert habe.
Die Begegnung zwischen Göppingen und Flensburg am letzten Spieltag hat die Meisterschaft 2018 entschieden. Wie war das für dich?
Es war ein komisches Gefühl. Unser Team kam im Norden komplett lädiert an, wir hatten am letzten Spieltag nur noch sechs gesunde Feldspieler und zwei Torhüter. Als einer unserer Keeper sich für das Spiel auf dem Feld bereitmachte, war ich überzeugt, das wird eine Katastrophe. Zudem wussten wir, dass ganz Europa diese Begegnung vor dem Bildschirm verfolgt. Mir war klar, wenn wir jetzt mit minus 25 Toren hier versagen, das werden noch unsere Kinder erzählen. Aber wir konnten lange mithalten und waren sehr nahe dran, Flensburg die Party zu verderben. In der 40. Minute waren die Zuschauer so ruhig – ich habe ein Jahr für Flensburg gespielt, doch die Halle habe ich noch nie so erlebt. Am Ende des Spiels konnten alle Beteiligten erhobenen Hauptes das Spielfeld verlassen. Flensburg wurde Meister und wir haben uns nicht schlecht präsentiert.
„Auf dem Feld geht es für mich immer um Alles – ich liebe es zu spielen und ich spiele, um zu gewinnen.“
Du hast über deine Kindheit während des Balkankrieges in Deutschland erzählt. Wie ist dein Verhältnis zu deinen Teamkollegen aus Serbien?
Perfekt! Ich habe viele serbische Freunde und mit meinem Teamkollegen Zarko wohne ich sogar in einem Haus. Wir haben die gleiche Sprache und die gleiche Kultur, auch unsere Frauen verstehen sich blendend. Sport hat die Kraft, alles zu überwinden!
Du bist erst kürzlich Vater geworden. Soll deine Tochter auch Deutsch lernen?
Auf jeden Fall. Der Grund, warum ich in meiner Kindheit die Sprache gelernt habe, war nicht besonders schön. Doch für das Ergebnis bin ich sehr dankbar. Sich auf mehreren Sprachen zu verständigen ist das Größte. Es ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Gerne würde ich ihr das mit auf den Weg geben.
– Ani Bonamie
Mehr zu Krešimir gibt es auf seinem #Faces-Profil.
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