Joscha Ritterbach
Ende gut, alles gut
11. Mai 2021
Joscha Ritterbach blickt auf eine in jeder Hinsicht besondere Saison zurück und spricht über grün-weißes Blut, Legenden im Team und einen „vernünftigen“ Saisonabschluss.
Text: Ani Bonamie
Wie geht es dir aktuell?
Vielen Dank, mir geht es ganz gut. Glücklicherweise geht es auch meiner Familie gut. In der aktuellen Zeit bekommen wir alle vor Augen geführt, über welche Kleinigkeiten wir uns normalerweise immer wieder aufregen. Die Corona-Pandemie hat alles relativiert, auch unsere Sichtweise.
Viele denken, besonders auch Leute in deinem Alter, dass man ihnen mit Quarantänen, Kontakt- und Ausgangssperren ein Jahr aus ihrem Leben geklaut hat.
Das letzte Jahr können wir im Rückblick nicht ändern, und auch in der Zukunft wird alles erst besser, wenn wir uns aktuell an die Regeln halten. Zwei Mal mussten wir in Quarantäne. Auch weitere zwei kaufe ich sofort, wenn es in der Mannschaft nur bei zwei Ansteckungen bleibt und die Jungs danach wieder okay sind. Mehr mussten wir ja bisher nicht ausstehen.
„Okay, wir spielen jetzt, aber lass uns mal schnell viele Punkte sammeln.“
Was denkst du persönlich über diese besondere Saison?
Als Handballer bist du aktuell gleichzeitig privilegiert und bestraft. Was dabei allerdings überwiegt, ist die Dankbarkeit. Viele Leute haben dafür gesorgt, dass wir unseren Beruf ausüben können. Es fängt bei der Liga und dem Verein an, aber auch die Sponsoren und die Zuschauer haben einen großen Teil dazu beigetragen, dass wir Handball spielen dürfen. Ich finde es sehr beeindruckend, welche Unterstützung von den GWD-Fans kommt, trotz der Tatsache, dass sie nicht in die Halle dürfen. Ich bin dankbar dafür, dass wir die Saison überhaupt zu Ende spielen dürfen – wer hätte das im Sommer 2020 noch gedacht?
Wie seid ihr überhaupt in die Saison gestartet?
Wir dachten: Okay, wir spielen jetzt, aber lass uns mal schnell viele Punkte sammeln, wer weiß wann die Spielzeit abgebrochen werden muss.
Kann man sich an eine Halle ohne Zuschauer gewöhnen?
Am Anfang war die Situation richtig brutal, inzwischen ist es nichts Neues mehr. Dennoch kann man sich emotional nicht daran gewöhnen. Wir freuen uns über jeden einzelnen Aufbauhelfer oder Geschäftsstellenmitarbeiter, der eine Trommel oder eine Klatschpappe in die Hand nimmt und können es kaum erwarten, wieder in einem Hexenkessel zu spielen, egal ob zuhause oder auswärts. Jede kleine Akustik puscht uns. Vor allem in einem Traditionsverein, wie der GWD Minden, sind Zuschauer ein sehr wichtiger Teil des Ganzen.
„Ich glaube, dass ich noch nie so viel Kaffee getrunken und Serien geschaut habe, wie in den letzten Monaten.“
Als du nach Minden gewechselt bist, hast du dich sehr auf deine Familie gefreut. So viele Spiele von dir konnten sie allerdings nicht sehen.
Am Anfang war mein Vater oft in der Halle und auch Freunde haben immer wieder vorbeigeschaut. Jetzt schauen sie alle Sky (lacht).
Dein Vater war ja dein Trainer in der Jugend – somit ist er sicherlich dein größter Fan und Kritiker. Wenn er in der Halle ist, schaust du immer wieder zu ihm oder meidest du eher den Blickkontakt?
Wenn er da ist, sehe ich ihn schon beim Einlaufen, und in dem Moment ist er aber nicht mehr mein Trainer. Meine Eltern sind die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ein kurzer Augenkontakt vor dem Spiel ist bereits eine große emotionale Unterstützung und ich freue mich auf den Augenblick, wenn ich meine Familie wieder unter den Zuschauern sehe.
Wie verbringst du aktuell deine Freizeit? Hast du vielleicht ein spezielles Lockdown-Hobby entwickelt?
Ich glaube, dass ich noch nie so viel Kaffee getrunken und Serien geschaut habe, wie in den letzten Monaten. Auch Waldspaziergänge und Face Time stehen täglich auf meiner Tagesordnung.
„Wenn man mit einem Lachen über etwas berichtet, dann ist am Ende alles gut gegangen.“
Hast du einen Serientipp für die Leute, die Zuhause bleiben müssen?
Ich habe letztens mit „Suits“ angefangen. Lange Zeit dachte ich, die Folgen wären langweilig. Jetzt bin ich froh, dass es mir gefällt, denn sonst wäre es mit Serien langsam echt eng geworden.
Was glaubst du, wie werden wir uns an diese besondere Saison in 20 Jahren erinnern?
Ich hoffe, dass ich darüber irgendwann mit einem Lachen erzählen kann. Wenn man mit einem Lachen über etwas berichtet, dann ist am Ende alles gut gegangen.
Letztes Jahr habt Ihr als Team die Abschlussfahrt nach Mallorca gestrichen und die Mannschaftskasse für einen guten Zweck gespendet. Was passiert 2021?
Zu diesem Thema habe ich mich auch schon mal mit meinem Nachbarn zusammengesetzt. Ein großer Wunsch von uns allen wäre, diese besondere Spielzeit gemeinsam ausklingen zu lassen.
„Ich habe einen unglaublichen Respekt vor beiden Männern und bin froh, mit ihnen spielen zu dürfen.“
Der besagte Nachbar ist Carsten Lichtlein. Er ist derzeit nicht die einzige Handball-Legende in eurem Verein.
Lütti und ich haben sogar eine Fahrgemeinschaft zu den Heimspielen und bilden auch in der Freizeit ein richtig gutes Team. Er ist ein überragender Typ! Was man auch über Christian Zeitz sagen kann. Zeitzi´s Karriere ist legendär. Was er bisher erreicht hat, flößt jedem in der Mannschaft großen Respekt ein. Gleichzeitig färbt seine Sieger-DNA auf jeden im Team ab. Ich habe einen unglaublichen Respekt vor beiden Männern und bin froh, mit ihnen spielen zu dürfen.
… und was passiert 2021 mit der Abschlussparty?
Wo und was auch immer, irgendeinen gemeinsamen, vernünftigen und bestimmt ziemlich spontanen Saisonabschluss wird es geben. Sollten wir allerdings die Mannschaftskasse nicht auf den Kopf hauen können, würde ich mich wieder dafür einsetzen, dass das Geld für den guten Zweck gespendet wird.