Marius Steinhauser:
Eingenordet
Seit acht Jahren spielt Marius Steinhauser ganz oben mit. Steini, der viermal in Folge sogar Deutscher Meister wurde, mag es aber auch geografisch „ganz oben“ – im hohen Norden. In Flensburg gefällt es ihm so sehr, dass er über die Karriere nach der Karriere gar nicht erst nachdenkt. Ein Gespräch über Titel, Nationalmannschaft und Bootsführerschein.
Du warst über vier Jahre der Titelgarant! Wie oft bist du eigentlich Vizemeister geworden?
Das ist ein schöner Fun Fact, in den letzten zwei Jahren haben wir die Meisterschaft tatsächlich knapp verfehlt. Vizemeister war ich auch viermal. Zweimal mit Flensburg und zweimal mit den Löwen.
Die letzte Meisterschaft habt Ihr historisch um nur ein Tor verpasst – gibt es auch ohne Titel bestimmte Momente einer Saison, an die man sehr gerne zurückdenkt?
Natürlich! Als wir in der letzten Spielzeit trotz großer Verletzungswelle ungeschlagen geblieben sind, haben wir auch ein wichtiges Etappen-Ziel für uns erreicht. Wir konnten uns in der schwierigen Situation aufeinander verlassen, haben Gas gegeben, den Fans gezeigt und uns bewiesen, dass wir auch unter unglücklichen Umständen eine Spitzenmannschaft sind. Wenn man das Meisterschafts-Rennen so knapp verliert, wie wir 2015 mit den Rhein-Neckar Löwen oder im letzten Sommer mit der SG, dann schießen dir am Ende der Saison die verpassten Chancen durch den Kopf. Doch an solchen Erfahrungen kann man auch wachsen, es sind nicht nur die glorreichen Siege und die großen Titel, die dich im Laufe einer Karriere weiterbringen. Den zweiten Platz in der stärksten Liga der Welt gibt es ja auch nicht geschenkt.
Aufgrund der Verletzungsmisere gab es bei den SG Neuverpflichtungen für dich Wiedersehens-Momente mit Ex-Löwen. Wie war denn das Mannschaftsgefühl in diesem Mehrgenerationen-Team eigentlich?
Henning Fritz ist ein unglaublicher Typ und mit Alex Petersson bin ich seit vielen Jahren gut befreundet. Wenn du mit einem Menschen auf einer Wellenlänge bist, ist es total egal, wie viel Altersunterschied dazwischen liegt. Für Alex muss sein Revival in Flensburg allerdings teilweise gewöhnungsbedürftig gewesen sein. Wenn der Teamkollege Magnus Holpert früher mal Kinder-Fußball mit deinem Sohn gespielt hat, spätestens dann weißt du, dass du ziemlich gut in Form bist! (lacht) Henning und Alex haben uns mit ihren Erfahrungen auf dem Spielfeld sehr geholfen. Junge Leute können von solchen gestandenen Spielerpersönlichkeiten eine Menge lernen, sie sind auch für das Mannschaftsgefühl eine absolute Bereicherung.
„Es sind nicht nur die glorreichen Siege und die großen Titel, die dich im Laufe einer Karriere weiterbringen.“
Wie sehr freut sich ein Publikums-Liebling über die Rückkehr der Zuschauer in die Hallen der Bundesliga?
Flensburg ist dafür bekannt, eine Hochburg für Handball zu sein. In der Zusammenarbeit und mit den SG-Fans die Spiele zu gewinnen, gehörte in den letzten Jahren immer zu unseren Stärken. Diese Liebe und Unterstützung ist wirklich einmalig und ich bin für alle Beteiligten unglaublich froh, dass die Zeit der Geisterspiele nun vorbei ist. Um 100 Prozent in die Spur zu kommen, gehören unsere Fans einfach dazu!
Wer steht am Ende der Saison 2021/22 ganz oben auf der Treppe?
Ich hoffe, wir! Wobei wir nicht wirklich gut und mit viel Verletzungspech in die Saison gestartet sind und bereits wichtige Punkte abgeben mussten.
Der Saisonstart war durchwachsen, die SG tritt aber weiterhin, immer und überall als Favorit an. Ist diese Rolle eine Ehre oder doch eher eine Bürde?
Du stellst dir diese Frage nicht, wenn der Sieg dein Anspruch ist. Es stimmt allerdings, dass die Gegner immer besonders heiß sind, wenn unser Bus um die Ecke biegt. Zuhause sind wir glücklicherweise schon sehr lange ungeschlagen. Auswärts mussten wir wichtige Punkte abgeben und jetzt denken bestimmt einige, schau mal, die SG ist schon weg.
Unter Handballern heißt es aber auch: „Am Ende kackt die Ente“.
Genauso ist es! Jetzt haben wir die Ruhe, uns wieder an die Spitze vorzuarbeiten. Schau mal, als wir 2018 Meister geworden sind, hatten wir gleich am Anfang der Saison 10 Minuspunkte. Und dann kam die besagte Ente ins Spiel und zack sind wir Meister geworden.
„Anouk ist der schönste und beste Grund den Führerschein noch nicht gemacht zu haben.“
Du wolltest aber nicht nur den Titel in Flensburg verteidigen, du wolltest unbedingt einen Bootsführerschein machen. Wie sieht es damit aus?
Ich habe ihn noch nicht. Durch die vielen Reisen fehlt dafür die Zeit und familiär ist uns auch etwas dazwischengekommen. Die Geburt unserer Tochter hat unser Leben sehr positiv verändert und bereichert. Anouk ist der schönste und beste Grund den Führerschein noch nicht gemacht zu haben.
Sie ist in Norddeutschland auf die Welt gekommen. Bist du dort inzwischen in jeder Hinsicht heimisch geworden?
Du meinst bestimmt auch das Wetter und die Sprache. Inzwischen sage ich zur Begrüßung auch gerne Moin. Ich denke, das ist das Erste was man macht, wenn man in den Norden zieht. Mein Plattdeutsch ist allerdings noch sehr ausbaufähig und unser Teambetreuer Kay zieht mich gerne mit meinen missglückten Versuchen auf.
Vermisst du überhaupt noch etwas aus der Heimat?
Natürlich! Ich würde gerne meine Familie öfter sehen. Wenn ich mit unseren Dänen oder Schweden aus dem Team spreche, die von ihren kurzen Ausflügen in die Heimat berichten, bin ich jedes Mal neidisch. Für einen Familienbesuch muss ich die doppelte bis dreifache Strecke hinlegen, als meine ausländischen Teamkollegen.
„Um zum elitären Kreis der Nationalmannschaft zu gehören, musst du allerdings konstant eine gute Leistung im Verein zeigen.“
Was macht eigentlich dein BWL-Studium?
Den Bachelor habe ich erfolgreich abgeschlossen. Zwischendurch habe ich einen Master angefangen, doch dann aus Zeitgründen wieder in die Schublade gelegt.
Was war das Thema deiner Bachelorarbeit?
Es ging um Markenmanagement, Markenaufbau, Markenstärkung und Markenidentität.
Demnach wirst du dem Handball später nicht unbedingt als Trainer erhalten bleiben.
Das ist nicht mein Ziel. Doch noch beschäftige ich mich nicht mit dem Thema. Ich trage meine Kempa Handballschuhe viel zu gerne um jetzt schon über das Aufhören nachzudenken.
Ich hätte noch eine Frage zu deiner Handball-Karriere. Wie sieht es mit deinen Ambitionen für die deutsche Nationalmannschaft aus? Marcel Schiller hat vorgemacht, dass man auch mit Ende 20 durchstarten kann.
Ich kann mich noch gut an die Einsätze für die Junioren erinnern und daran, mit wie viel Stolz ich die Hymne mitgesungen und das Trikot getragen habe. Um zum elitären Kreis der Nationalmannschaft zu gehören, musst du allerdings konstant eine gute Leistung im Verein zeigen und das ist auch in der aktuellen Saison mein vorrangiges Ziel.
Bis zum erweiterten Kader hast du das schon unter zwei Bundestrainern geschafft.
Das stimmt, sowohl bei Christian Prokop, als auch bei Alfred Gislason. Soweit ich weiß, hat aktuell niemand meine Nummer 19 und ich wäre auch bereit. (lacht) Wie du sagst, Marcel Schiller hat die Gunst der Stunde auch nutzen können und bewiesen, dass eine Karriere in der Nationalmannschaft als „Quereinsteiger“ klappen kann und wir haben vorhin auch über Alex Petersson und über seine Wahnsinnsform mit 41 Jahren gesprochen. Im normalen Berufsleben gibt es viele unerwartete Wendungen, warum sollte das im Sport nicht auch möglich sein.
– Ani Bonamie
Mehr zu Steini gibt es auf seinem #Faces-Profil.
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