Uwe Gensheimer im Kempa STATUS Trainig Top schwarz

Herzensangelegenheit Nationalmannschaft

Die Kolumne von Uwe Gensheimer

aus der Handball Inside #40
(erscheint am 04. September 2021)

17. September 2021

Egal wo auf dem Spielfeld, ob zwischen den Pfosten oder an der Siebenmeterlinie, als Handballer muss man immer besonders schnelle Entscheidungen treffen. Dabei sind Geschwindigkeit und Dynamik gefragt und je mehr Routine man hat, desto schneller rasen die richtigen Bilder im Kopf.
Bei Entscheidungen in Sachen Karriere lassen wir uns allerdings Zeit. Und wenn es dabei um Abschiede geht, so wie jetzt mein Abschied aus der Nationalmannschaft, dauert es in der Regel lange, bis man für diesen emotionalen Schritt bereit ist.

„In meinem ersten Länderspiel wurde ich gleich im ersten Angriff gnadenlos ausgewackelt.“

Nach 16 Jahren im A-Kader des DHB gehe ich jetzt als Kapitän mit viel Dankbarkeit und Stolz von Bord. Am Ende stehen nun 204 Länderspiele auf meinem Konto, das klingt viel, doch die zahlreichen Erinnerungen, die ich mit dieser außergewöhnlichen Truppe verbinde, lustige Anekdoten und einzigartige Momente mit unglaublicher Emotionalität, die ich hier erleben durfte, das macht das alles für mich um so viel größer. Da war beispielsweise mein erstes Länderspiel im A-Kader, kurz nach meinem 19. Geburtstag. Wir spielten in Lemgo gegen Slowenien. In der 20. Minute wurde ich eingewechselt, Heiner Brand hat mich bei der 5:1 Abwehr auf der Spitze decken lassen und gleich im ersten Angriff wurde ich gnadenlos ausgewackelt. Kein so toller Einstand – dafür konnte ich mich aber am nächsten Tag mit zehn Toren revanchieren. Im slowenischen Tor stand damals Goran Skof, später mein Kollege in Paris, das Zimmer teilte ich mit Christian Ramota und Daniel Stephan absolvierte seinen letzten Lehrgang.

„Ich bekam einen selbst gemixten Aktivierungs-Shake. Was in diesen Zaubertrank reingemischt wurde, wusste niemand so genau.“

Zu meinem Debüt kam ich übrigens – zur großen Freude von meinem Kumpel Christian Sprenger – mit einem knallroten Kopf. Grund dafür war ein von Sebastian Preiß selbst gemixter „Aktivierungs-Shake“, den ich erst kurz vor dem Spiel getrunken habe. Was er in diesen speziellen Zaubertrank hineingemischt hatte, wusste niemand so genau … 2007 assistierte die Jugendnationalmannschaft in Dortmund bei einem Trainer-Symposium für Serdarusic, Rivera und Co. als Dummy-Team, und als Belohnung durften wir zum WMFinale Deutschland vs. Polen in die Kölnarena. Das ist bis heute für mich ein Wahnsinnserlebnis, das ich dann in der Emotionalität und Lautstärke bei der Heimweltmeisterschaft 2019 auf dem Spielfeld selbst erleben durfte.

„Mein Puls war im Finale über 60 Minuten auf 180 und ich war unglaublich stolz auf jeden einzelnen Mitspieler.“

Unvergesslich auch der EM-Sieg 2016 in Polen. Spielen konnte ich zwar aufgrund einer Verletzung nicht, mein Puls war aber im Finale über 60 Minuten auf 180 und ich war unglaublich stolz auf jeden einzelnen Mitspieler. Im gleichen Sommer kämpften wir uns in Rio de Janeiro gemeinsam auf das olympische Podest und waren überglücklich, dass wir nach zwölf Jahren Olympia-Tristesse endlich wieder eine Medaille für den deutschen Handball nach Hause bringen konnten. Der ganz große Titel blieb mir aber leider verwehrt – und das schmerzt natürlich. Doch das ändert nichts an der Dankbarkeit und den Stolz, den ich empfinde, wenn ich auf die Jahre in der Nationalmannschaft zurückblicke.

„Unsere Augen blieben nicht so ganz trocken. Die Nationalmannschaft ist viel mehr als eine Spiel-, Trainings- und Reisegemeinschaft.“

Als ich meine Entscheidung nach dem letzten Spiel in Tokio dem Team mitteilte und Steffen Weinhold in die gleiche Kerbe schlug, blieben unsere Augen nicht so ganz trocken. Die Nationalmannschaft ist viel mehr als eine Spiel-, Trainings- und Reisegemeinschaft. Dieses Team steht auch für besondere Werte, für die Wertschätzung und den Respekt füreinander, und so waren wir viele Jahre gemeinsam auch sportliche Botschafter für Deutschland, eine Handvoll Auserwählte im internationalen Wettkampf. Die Nationalmannschaft war mir immer eine Herzensangelegenheit – und es hat jede Menge Spaß gemacht!

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