Marius Steinhauser
Wir haben die Eier!
08.November 2022
Marius Steinhauser wechselte im Sommer aus Flensburg nach Hannover. Die Recken, in der letzten Spielzeit noch auf Platz 12 der Tabelle, rocken seit Anfang der Saison regelrecht die Bundesliga und mischen vorne mit. Angeführt wird die Mannschaft von „Captain Steini“, der nicht nur auf dem Handballfeld, sondern auch im neuen Amt als Kapitän überzeugen will.
Wie unterscheidet sich der Alltag eines Mannschaftskapitäns von dem eines Handballers ohne Kapitänsbinde?
Steini: Als Kapitän bin ich viel mehr im Austausch mit dem Trainerteam, dem sportlichen Leiter und der Geschäftsstelle, um die Themen zu besprechen, die innerhalb der Mannschaft anliegen. Es geht dabei beispielsweise um Teamevents oder Organisatorisches. Zu meinen Aufgaben gehört es, in das Team hineinzuhören und einzuschätzen, wie die Stimmung ist oder wie unsere Leistungsgemeinschaft den Grad der aktuellen Belastung empfindet. Ich bin also ein Vertreter aller Mannschaftsbelange in Richtung Verein und der Kommunikator der Clubführung ins Team.
Ein diplomatisches Bindeglied sozusagen.
Steini: Das kann man auch sagen. Auf jeden Fall führe ich aktuell noch mehr Gespräche, als die Jahre davor – im Sinne der Mannschaft.
War das Pensum zu steigern? In Flensburg hieß es, du redest ununterbrochen.
Steini: Die Flensburger Jungs würden sich wundern (lacht).
Verändert so ein Amt die Persönlichkeit?
Steini: Auf gar keinen Fall. Jeder im Team weiß, dass ich immer ein offenes Ohr für alle Belange habe und weiterhin der Steini bin, den sie in der Vorbereitung kennengelernt haben. Sportlich will ich natürlich weiterhin mit guter Leistung vorangehen und als Kapitän stehe ich für meine Mannschaft zu jedem Zeitpunkt ein.
Muss man auf dem Spielfeld zu den Besten gehören, um als Kapitän akzeptiert zu werden?
Steini: Ich denke, dass das nicht zwingend notwendig ist, aber durchaus förderlich. Wenn du deine Leistung abrufen kannst, wenn du in jeder Situation bereit bist Verantwortung zu übernehmen, vermittelt das den anderen ein gutes Gefühl.
Du hast mehrere Jahre mit Vorzeigekapitänen wie Uwe Gensheimer und Tobias Karlsson zusammengespielt. Hast du bei den beiden etwas abgeschaut?
Steini: Bestimmt! Das machst du allerdings eher unbewusst. Ich denke, dass man sich in der Rolle nach ein paar Monaten unbedingt auch reflektieren sollte, in dem man einige Meinungen, Anregungen und vielleicht sogar Verbesserungsvorschläge von den Teamkollegen einholt.
„Sportlich will ich natürlich weiterhin mit guter Leistung vorangehen und als Kapitän stehe ich für meine Mannschaft zu jedem Zeitpunkt ein.“
Ende Oktober, kurz vor dem Spiel gegen die Löwen, rangiert Hannover mit sechs Siegen und zwei Niederlagen in der Bundesligatabelle direkt hinter dem amtierenden Meister Magdeburg.
Steini: Ja. Und direkt vor Flensburg!
Ist es wichtiger für dich vor Flensburg zu stehen, als direkt hinter dem Super Globe-Sieger 2022?
Steini: Da siehst du mal. Ich denke, dass man immer noch sensibilisiert auf seinen alten Vereinen ist und sich in dem Kontext zu vergleichen einen positiven Ehrgeiz entwickelt. Ich muss allerdings dazu sagen, dass wir uns als Mannschaft mit Platzierungen gar nicht so sehr beschäftigen. Es macht gerade einfach riesigen Spaß, diese Spiele gemeinsam zu bestreiten! Schon die Anfangsphase mit sieben neuen Spielern war beeindruckend und wir sind noch lange nicht am Ende unseres Potenzials angekommen.
Die Partien waren größtenteils spannende Handballkrimis. Was genau entscheidet zwischen Sieg oder Niederlage in so engen Spielen?
Steini: Ob gegen Minden oder Hamburg, es ist eine Mentalitätsache, ob du in der Crunchtime die Eier hast, die wichtigen, die entscheidenden Tore zu machen. Und wir haben die Eier! Unser eigenes Spiel entwickeln wir dabei von Begegnung zu Begegnung weiter.
… und kann man sich auch an knappen Niederlagen, wie gegen Kiel, hochziehen? Ihr habt immerhin fast den Rekordmeister geknackt.
Steini: Natürlich. Das positive Gefühl kriegst du an dich herangetragen. Von außen betrachtet war es ja im Vorfeld nicht klar, dass wir bei diesem schwierigen Spiel auf Augenhöhe auftreten werden. Dennoch ist es als Sportler bitter, dass das Momentum zwar auf unserer Seite war, die Chance aber in den letzten Minuten liegengelassen haben. Wir hätten uns für diese Leistung belohnen müssen. Aber wahrscheinlich ärgert sich auch der Ex-Flensburger besonders in mir (lacht).
Du warst ja oft im Flensburg-Trikot bei der „Mutter aller Derbys“ dabei.
Steini: Wie oft genau, wüsste ich nicht einmal aus dem Stehgreif. Es waren auf jeden Fall immer ganz besondere Spiele.
Mit dem Wechsel von der SG zu den Recken wolltest du sportlich ein neues Kapitel aufschlagen. Hast du diese Entscheidung noch nie bereut?
Steini: Keine Sekunde! Wir waren als Familie in Flensburg sehr glücklich, doch das sportliche und private Recken-Paket macht auch viel Spaß.
„Es macht gerade einfach riesigen Spaß, diese Spiele gemeinsam zu bestreiten!“
Wie muss man sich einen Umzug mit einem einjährigen Kind und einer schwangeren Frau vorstellen? War das nicht sehr anstrengend für euch?
Steini: Meine Frau Anika ist sehr gut strukturiert, wir haben den Umzug schon vor Saisonschluss über die Bühne gebracht und kamen quasi im Sommer in ein gemachtes Nest nach Hannover. Die letzten Wochen wohnten wir in Flensburg in einer Ferienwohnung und hatten den Luxus, uns in der Stadt wie Touristen zu fühlen. Es war eine besondere Erfahrung, noch ein letztes Mal in das Lieblingsrestaurant, ein letztes Mal zur Lieblings-Fischhütte… Es gibt viele Sachen, die uns für immer mit dem Norden verbinden. Wir haben schließlich dort geheiratet und unsere Tochter Anouk kam auch dort auf die Welt.
Amelia, eure zweite Tochter, ist schon eine echte Hannoveranerin. Habt ihr euch auch schon in der neuen Heimat so richtig eingelebt?
Steini: Wir sind auf jeden Fall dabei. Ich habe vorhin über das Teamevent der Recken gesprochen, solche Veranstaltungen sind unglaublich wichtig, damit sich auch die Frauen untereinander kennenlernen.
Du bist als vierfacher Meister ein Titel-verwöhnter Mensch. Den DHB-Pokal hast du allerdings noch nie gewonnen. Aktuell trennen die Recken nur zwei Spiele vom DHB-Final4.
Steini: Hannover war in den letzten Jahren nicht nur einmal in Hamburg dabei, die Mannschaft hat also schon unter Beweis gestellt, dass sie die Qualität hat, die Finals zu erreichen. So ist das gleichzeitig ein Ziel und ein Traum von uns, 2023 bei der Premiere in Köln dabei zu sein. In den fünf Jahren mit Flensburg habe ich es kein einziges Mal mit dem Team zum Final4 geschafft, mit den Löwen waren wir gefühlt zwar Dauergäste, den Pokal habe ich allerdings noch nie in der Hand gehalten.
Dann wird’s mal Zeit.
Steini: Zuerst müssen wir den Weg nach Köln schaffen. Nicht mal die Teilnahme gibt’s beim Final 4 geschenkt und dann muss man dort noch zwei richtig taffe Spiele unter Hochdruck gewinnen. Aber klar, den Pokal am Ende in die Höhe zu strecken, wäre auf jeden Fall fantastisch.
„Unser eigenes Spiel entwickeln wir dabei von Begegnung zu Begegnung weiter.“
Ani Bonamie