Uwe Gensheimer
Eine Chance für den Handball
15. Januar 2021
Uwe Gensheimer fährt entschlossen zur Weltmeisterschaft. Bei dem XXL-Turnier mit 32 teilnehmenden Nationen will Deutschlands Kapitän mit seinem Team trotz aller Bedingungen einen tollen Handball spielen und die Sportart gut präsentieren. Wenn Handball „auf der ganzen Welt“ zu sehen ist, kann man auch viele Menschen für den Sport begeistern. Der reibungslose Ablauf des Turniers in Ägypten wird allerdings wegen der Corona-Pandemie sowohl für die Organisatoren, als auch für die Teilnehmer eine große Herausforderung. Deshalb hat der Kapitän für sein Team neben dem sportlichen Erfolg noch einen wichtigen Wunsch: Alle sollen gesund bleiben.
Warst du schon mal in Ägypten?
Ich war vor vielen Jahren in der Nähe von Hurghada. Es war damals ein sehr entspannter Badeurlaub am Roten Meer.
Dieses Mal solltet ihr aber auf keinen Fall „baden gehen“.
Das haben wir auch nicht vor (lacht). Das Team ist hoch motiviert und die Spannung ist groß.
Zum ersten Mal findet die WM mit 32 Teams statt. Was denkst du darüber, dass die IHF den Kreis der Teilnehmer erweitert hat?
Unter den hierfür geschaffenen Bedingungen finde ich das gut. Bei dieser WM kämpfen zwar mehr Teams um den Titel, doch die Anzahl der Spiele für die einzelnen Mannschaften ist nicht gestiegen. Somit ist die Belastung nicht größer als gewohnt. Die Teams, die ins Finale kommen, haben sogar ein Spiel weniger, als die Finalisten bei der WM 2019.
Dass mehr Mannschaften die Chance auf die Teilnahme bekommen, findest du also gut?
Bei der letzten Europameisterschaft konnte man sehen, dass jedes Spiel bei einem Großturnier eng werden kann. Bei der WM ist das Niveau vielleicht nicht allzu ausgeglichen, für den Handballsport ist es aber wichtig, dass das Turnier möglichst in jedem Teil der Welt wahrgenommen wird. Unser Sport ist nach wie vor noch sehr „europäisch“, das können genau solche Events ändern. Wenn die Spiele einer Weltmeisterschaft von vielen Menschen in anderen Ländern zu sehen sind, bekommen wir die Chance, noch mehr Jugendliche für unseren Sport zu begeistern.
„Wir müssen anders, offener vorgehen und wahrscheinlich auch noch aggressiver agieren.“
Die Weltmeisterschaft ist also auch eine Werbeveranstaltung für den Handball?
Optimaler Weise, ja! Bereits die Teilnahme kann für Nationen als Erfolg einer Nationalmannschaft gewertet werden. Handball wird so auch in Ländern ausgestrahlt, angeschaut und vermarktet, wo viele Menschen bisher noch keine Berührungspunkte mit der Sportart hatten. Das ist eine Riesen-Chance.
Apropos Chance: Welche Möglichkeiten hat das deutsche Team?
Das kann man im Vorfeld nicht genau sagen. Wir werden aktuell zurecht als Wundertüte bezeichnet. Nicht einmal unsere Mannschaft kann genau einschätzen, welche Aussagekraft beispielsweise die EM-Qualifikationsspiele gegen Österreich haben, die wir souverän gewinnen konnten. Durch das Fehlen einiger Stammspieler müssen wir in einer anderen, neuen Formation spielen. Ich hoffe, dass wir es schaffen, mit wenigen Fehlern durch das Turnier zu kommen.
Wie viele Debütanten sind diesmal dabei?
Zwei Jungs sind zum ersten Mal dabei. Wir standen allerdings noch nie in dieser Formation in der Deckung. Bisher hatten wir andere Spielertypen im Team, die einfach von der körperlichen Statur her anders ausgestattet waren, als die Spieler, die jetzt im Mittelblock in der Innenverteidigung im Zentrum decken. Wir müssen daher anders, offener vorgehen und wahrscheinlich auch noch aggressiver agieren.
„Ich denke, für ganze Netflix Serien hat in Ägypten niemand Zeit.“
Andi Wolff sagte im Vorfeld, dass eine neue Konstellation, wie schon bei der EM in Polen, auch ein Plus sein kann. Siehst du das auch als Chance?
Es ist eine Hoffnung. Allerdings ist es auch Fakt, dass jede Chance mit der bestmöglichen Mannschaft wächst. Wir werden es sehen. Wenn neue Spieler einfach ins kalte Wasser geworfen werden und sich zunächst keine großen Gedanken und unnötigen Druck machen, das kann auch positiv wirken.
Eine große Herausforderung bei der WM wird die Freizeitgestaltung sein. Was macht man an einem freien Tag im Einzelzimmer?
Ich glaube nicht, dass wir so viel Zeit haben, dass es langweilig werden könnte. Ich werde viel telefonischen Kontakt zu meiner Familie haben, es stehen sicherlich digitale Medientermine an und man muss auch regelmäßig zur Physio. Ich denke, für ganze Netflix Serien hat in Ägypten niemand Zeit.
Wie viele Corona Tests musstest du in den letzten Wochen machen?
Ich zähle das nicht. Die Tests sind inzwischen fest in den Tagesablauf integriert und die Termine stehen sogar in unserem Ablaufplan. Sich die Zeit für die Abstriche zu nehmen, ist keine große Belastung.
Wie können euch die Fans aus der Entfernung am besten unterstützen?
Wir hoffen, dass viele Handballfans die Spiele verfolgen! In erster Linie liegt es an uns, dass wir die Zuschauer mit unserem Spiel begeistern und wir werden auch unter den aktuellen Bedingungen unser Bestes geben. Mittlerweile gibt es über die Sozialen Medien auch viele Wege für Fan-Support. Es wird bestimmt wieder einige neue Formate geben, die den Austausch mit uns ermöglichen.
„Ich wünsche mir, dass alle gesund bleiben und wir trotz aller Voraussetzungen einen tollen Handball zeigen können.“
Nimmst du einen Glücksbringer mit?
Nein. Zum Glück bin ich kein abergläubischer Mensch.
Normalerweise wird während der WM im Team fleißig das RTL-Dschungelcamp aus Australien geschaut.
Das fällt dieses Jahr ja weg und wir haben bereits im Vorfeld darüber gequatscht, dass wir uns dann sicherlich eine andere Beschäftigung suchen müssen (lacht).
Diesmal ist vieles anders. Haben sich in den letzten Wochen und Tagen im Team auch neue Traditionen ergeben?
Nein. Der einzige, der weiterhin alleine seine Computerspiele spielt, ist Andi Wolff. Der Rest ist bei den gewohnten Gesellschaftsspielen geblieben.
Hast du einen persönlichen WM-Wunsch?
Ich wünsche mir, dass alle gesund bleiben, wir trotz aller Voraussetzungen einen tollen Handball zeigen können und die Sportart bei der XXL-WM gut präsentieren können.