Großes Kino

Die Kolumne von Uwe Gensheimer

28. August 2023

Das, was für viele Menschen die Silvesternacht zum Neujahr ist, ist für uns Handballer die Sommerpause – der perfekte Anlass für einen richtigen Cut.

Nur lässt man hier nicht das abgelaufene Jahr von Januar bis Dezember nochmal Revue passieren, irgendwann zwischen Badeurlaub und Vorbereitung auf die Vorbereitung schaut man immer auch nochmal persönlich auf die letzte Saison zurück. Was war da besonders, was waren die prägenden Momente? Hat man alle seine Ziele erreicht? Und wird man vielleicht auch noch in vielen Jahren gerade an diese Spielzeit aus irgendeinem außergewöhnlichen Grund gerne zurückdenken? Zugegeben, in diesem Sommer gab es keinen Badeurlaub. Und die Vorbereitung auf die Vorbereitung bestand nach meiner Knieoperation für mich hauptsächlich aus dem täglichen Reha-Programm. Aber mit meinen Gedanken war ich schon noch oft bei unserer Hammer-Saison 2022/23. Die Bilder von unserem erfolgreichen Pokal-Wochenende bleiben einfach unvergesslich. Die Löwen holen den Pott – ist und bleibt mein absoluter Lieblingssatz des Jahres. Das war einfach großes Kino! Aber auch einige andere Teams aus der Bundesliga werden diese Spielzeit nicht so schnell vergessen.

„Aber mit meinen Gedanken war ich schon noch oft bei unserer Hammer-Saison 2022/23.“

Der THW ist nach 34 Spieltagen und einem spannenden Endspurt verdient Meister geworden, und die Füchse Berlin wurden im EHF European League ihrer Klasse und der Favoritenrolle gerecht. Es gab also keine böse Überraschung. Der EHF Cup ist der Wettbewerb, wo die Bundesliga traditionell den Titelkandidaten stellt und seit Jahren mit mindestens einem Verein im Finale vertreten ist. In den letzten 20 Jahren verloren deutsche Mannschaften insgesamt nur zweimal das Endspiel. 2014 mussten sich die Füchse dem ungarischen Team Pick Szeged geschlagen geben und letztes Jahr hatte der SC Magdeburg eigentlich schon eine Hand am Pokal, bevor ihn in den letzten Minuten des Spiels das Glück verließ und am Ende der Gastgeber, das portugiesische Team Benfica, jubeln konnte. Dass der SCM in diesem Jahr beim EHF Champions League FINAL4 nicht lockerlassen und groß aufspielen würde, war mir bereits nach dem REWE Final4 klar. Wir standen uns ja in dem spektakulären Finale in Köln gegenüber. Und wenn du dann Mitte April ganz knapp aus so einer Schlacht als unglücklicher Verlierer rausgegangen bist und nur wenige Wochen später die einzigartige Gelegenheit bekommst, in einer ähnlichen Kulisse so einen unfassbar großen Titel zu feiern, dann musst du diese Chance einfach beim Schopfe packen!

„Einen besseren Beweis dafür, dass wir die stärkste Liga der Welt sind, braucht es nicht.“

Viele Experten haben im Vorfeld ja eher Barcelona, Paris oder Kielce auf dem europäischen Handball-Thron gesehen. Aber es hat sich wieder mal eindrucksvoll gezeigt, das FINAL4 hat eben seine eigenen Gesetze. Seit einigen Jahren schon erleben gerade die Underdogs in Köln vor der gewaltigen Kulisse mit 20.000 enthusiastischen Fans und einer Wahnsinnsatmosphäre, und ohne den riesigen Druck der Favoritenrolle im Kopf zu haben, ihre Auferstehung und schaffen damit unglaubliche Momente. Was Magdeburg diesmal in der LANXESS arena abgerissen hat, war der pure Wahnsinn. Ich habe dem SCM diesen Triumph so sehr gegönnt! Hier muss man tatsächlich mal kurz innehalten und sich bewusst machen: Vier unterschiedliche deutsche Teams gewinnen vier Wettbewerbe in einer Saison – einen besseren Beweis dafür, dass wir die stärkste Liga der Welt sind, braucht es nicht. Und nun startet eine neue aufregende Saison mit hoffentlich vielen einzigartigen Momenten. Auch das Meisterschaftsrennen wird wieder komplett neu eröffnet. Die Teams haben sich alle verstärkt, viele Stars schnüren mit großen Ambitionen ihre Handballschuhe. Ich freue mich, dass es jetzt wieder losgeht!