Dass das Sprichwort um die viel zitierte Achillesferse weitaus mehr als nur ein philosophischer Spruch über die Verwundbarkeit ist, musste ich leider in den letzten Monaten schmerzlich erfahren.
Meine Achillessehne hat mir schon seit einiger Zeit größere Probleme bereitet. Auch verschiedene Therapieansätze brachten letztlich keine Besserung, über mehrere Wochen habe ich somit unter Schmerzen gespielt, bis irgendwann die traurige Gewissheit feststand, dass an einem medizinischen Eingriff kein Weg vorbeiführt. Die Operation Ende März ist glücklicherweise gut verlaufen und auch wenn ich momentan noch auf Krücken unterwegs bin, bin ich guter Dinge, dass ich im Sommer mit voller Kraft und ohne Schmerzen in die Vorbereitung für die Saison 2022/23 starten kann.
„Für die Aussicht auf Schmerzfreiheit und eine schnelle Genesung würde ich wahrscheinlich auch wochenlang jedes peinliche Karnevalskostüm anziehen, wenn das helfen würde.“
Natürlich muss ich mich in Geduld üben, das rechte Bein darf ich aktuell nur mit 15 Kilo belasten – die Höchststrafe für einen Profisportler. Aber schon in absehbarer Zeit darf ich dann wieder mit Spezialschuhen gehen, die meine Ferse leicht erhöhen und damit entlasten. Modisch werde ich damit sicher nicht punkten, doch für die Aussicht auf Schmerzfreiheit und eine schnelle Genesung würde ich wahrscheinlich auch wochenlang jedes peinliche Karnevalskostüm anziehen, wenn das helfen würde. Aber am Ende hat ja alles etwas Gutes, auch an dieses Sprichwort musste ich in den letzten Wochen häufiger denken. Während ich an meiner Verletzung laborierte, durfte ich mich auf der Bank der Rhein-Neckar Löwen in einer für mich komplett neuen Rolle ausprobieren.
„Dass diese neue „Rolle“ meinen Blick auf das Geschehen auf dem Spielfeld so verändern würde, hätte ich nach 25 Jahren im aktiven Handball nicht gedacht.“
Etwas überraschend hatte mich Ljubomir Vranjes gebeten, bei unseren Partien gegen Wetzlar, Melsungen und Minden die Funktion des Co-Trainers zu übernehmen. Dass diese neue „Rolle“ meinen Blick auf das Geschehen auf dem Spielfeld so verändern würde, hätte ich nach 25 Jahren im aktiven Handball nicht gedacht. Es war sehr spannend, zu erleben, wie ich mich als Ljubos Assistent während des Spiels auf ganz andere Dinge konzentrieren musste als in der gewohnten Rolle als Linksaußen der Löwen. Die neue Aufgabe verlangte plötzlich eine ganz andere Perspektive, aus der ich den Jungs wichtige Tipps zu den nächsten Spielzügen zu geben versuchte. Natürlich habe ich dabei trotzdem nicht den „Klugscheißer“ raushängen lassen. Bei den gut gemeinten Ansprachen hatte ich schon immer im Hinterkopf, dass ich ja irgendwann wieder auf der anderen Seite stehe. Diese wertvolle Erfahrung in der kurzen Funktion als Co-Trainer hat mich nochmals in meinem Wunsch bestärkt, später eine Trainerausbildung zu absolvieren.
„Diese wertvolle Erfahrung in der kurzen Funktion als Co-Trainer hat mich nochmals in meinem Wunsch bestärkt, später eine Trainerausbildung zu absolvieren.“
Von der Bank aus werde ich wohl dann leider auch das letzte Spiel und damit den Abschied meines Teamkollegen Andy Schmid von den Löwen miterleben müssen. Wie kaum ein anderer Spieler steht Andy für die bisher erfolgreichste Zeit des Vereins, aber nicht nur hier, sondern auch in der Bundesliga – als Löwe hat er mit seiner Persönlichkeit und Spielweise auch eine ganze Ära geprägt. Gerne hätten wir ihn aus Mannheim mit einem großen sportlichen Erfolg oder zumindest mit einem besseren Tabellenplatz verabschiedet. Doch abseits des Sportlichen freue ich mich über eines ganz besonders: Andy muss seine Abschiedsrunde nicht in leeren Bundesliga-Hallen drehen. Es ist sehr schön, mit anzusehen, wie die außergewöhnlichen Leistungen in seiner langen Karriere auch von den Fans der anderen Vereine so wertgeschätzt -werden!
So bleibt dann noch mein liebstes Sprichwort: „Wir Handballer sind eine Familie.“
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